Lehrinhalte

Bis ins 20. Jahrhundert war die Teilnahme an religiösen Zeremonien und Ritualen für die allermeisten Städter ein selbstverständlicher Bestandteil städtischen Alltagslebens. Kirchen und ihre Türme prägten seit dem Mittelalter die Stadtsilhouette. Mit der Reformation zerbrach allerdings die bisherige Glaubenseinheit; gerade die Diskussion über die reformatorische Kritik an Papsttum und der katholischen Kirche vollzog sich vorrangig in Städten, wo nicht selten nach religiösen Streitgesprächen zwischen Reformatoren und Altgläubigen sich die Bürgerschaft in Referenden für die eine oder andere (meist die reformatorische) Glaubensrichtung entschieden. In den protestantischen Städten (v.a. den Reichsstädten) wurde die städtische Obrigkeit damit auch Kirchenobrigkeit, d.h. sie übte die Aufsicht über die Kirchen aus und musste Sozialfürsorge und Bildungswesen, bisher Sache der Kirche, in städtische Hände nehmen.

Das Seminar beabsichtigt, die Beziehungen zwischen Stadt und Glauben seit der Reformation bis ins 20. Jahrhundert in großen Schritten zu verfolgen. Ein Schwerpunkt wird dabei auf dem 16. Jahrhundert liegen mit Reformation, Gegenreformation, aber auch mit der Einführung paritätischer Strukturen in mehrkonfessionellen Reichsstädten. Ein zweiter Schwerpunkt fokussiert auf das 19. Jahrhundert, wo die städtischen Kirchengemeinden sich durch Herausforderungen wie die soziale Frage und die Folgen der Industrialisierung herausgefordert sahen und wo neue Formen des Glaubens wie Pietismus auch die religiösen Praktiken veränderten. Auch das Judentum rückte nun mit der Judenemanzipation und dem Bau stadtprägender Synagogen auf die offizielle städtische Bühne. Für das 20. Jahrhundert werden wir untersuchen, wie sich die Bedeutung von Glauben in der Stadt angesichts der Herausforderung von atheistischen Bewegungen, der allgemeinen Säkularisierung, aber auch dem Zuwachs neuer Konfessionen durch Migration veränderte, seien es bisher nicht vertretene christliche (orthodoxe) oder nicht-christliche Religionen (Islam u.a.).

Literatur:

Ehrenpreis, Stefan/ Lotz-Heumann, Ute: Reformation und konfessionelles Zeitalter, Darmstadt 2002; Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter. 1150-1550, Wien/ Köln/ Weimar 2012; Kaplan, Marion A./ Griese, Friedrich (Hgg.): Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland. Vom 17. Jahrhundert bis 1945, München 2003; Lutz, Heinrich/Kohler, Alfred: Reformation und Gegenreformation, München 5. Aufl. 2010; Moeller, Bernd: Reichsstadt und Reformation, Tübingen 2011; Roeck, Bernd: Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der frühen Neuzeit, München 2. Aufl. 2011; Rousseaux, Ulrich: Städte in der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2006.

 


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Semester: ST 2019