Lehrinhalte
[u][b]Ringvorlesung des Instituts für Philosophie[/b][/u]

[b]Wintersemester 2019/20: Öffentlichkeit und Erfahrung[/b]

Wir erleben gegenwärtig einen „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, der die Habermas’sche Analyse einer massenmedial erzeugten Scheinöffentlichkeit überschritten hat. Im Zeitalter der sogenannten „sozialen Medien“ findet Kommunikation längst nicht mehr nur in eine Richtung statt, sondern spielt sich vielverzweigt in „Netzwerken“ ab. Dies ermöglicht neue Formen der Interaktion und Partizipation, aber ebenso der Manipulation, der personalisierten Informationsorganisation und letztlich der Isolierung in sogenannten „Filterblasen“. Die neuen Öffentlichkeiten und Gegenöffentlichkeiten sind zunehmend hybride Räume, in denen sich Öffentliches und Privates, Reales und Virtuelles, sowie ökonomische, soziale und politische Anliegen vermischen – und dies oftmals gleichzeitig.

Die Ringvorlesung soll einerseits prominente Öffentlichkeitstheorien des 20. Jahrhunderts (Hannah Arendt, John Dewey, Jürgen Habermas, Richard Sennett, Neil Postman etc.) einer Relektüre unterziehen und andererseits die Herausforderungen der Gegenwart thematisieren. Mit der Anspielung auf Oskar Negts und Alexander Kluges Buch „Öffentlichkeit und Erfahrung“ von 1972, soll ein Fokus auf den Erfahrungsbegriff in Zusammenhang mit öffentlichen Kontexten gelegt werden. Das soll einerseits ermöglichen, Öffentlichkeit konzeptionell und begrifflich wieder stärker als Erfahrungs- und Interaktionsraum zu fassen, in Ergänzung zu institutionen-, diskurs- und informationstheoretischen Konzeptionen. Andererseits sollen dadurch auch die materiellen, leiblichen, technologischen, diskursiven, politischen, ökonomischen, hegemonialen Bedingungen von Erfahrung und Erfahrbarkeit in den Blick kommen, die Öffentlichkeiten formen und Mechanismen von In- und Exklusion sein können. 

Schließlich soll der Fokus auf „Öffentlichkeit und Erfahrung“ zu Fragen bezüglich Handeln, Fühlen und Wissen in klassischen und neuen öffentlichen Settings anregen: Wie werden Formen kollektiven Handelns erfahren und reflektiert angesichts potenziell unlimitierter Reichweite, die aber wiederum durch eine rigide Aufmerksamkeitsökonomie begrenzt wird? Welchen Einfluss auf die Meinungsbildung und welche Repräsentationskraft für das „öffentliche Interesse“ haben Öffentlichkeiten und Gegenöffentlichkeiten, die so schnell „viral“ werden wie sie auch wieder verschwinden? Wie erscheinen handelnde Personen in diesen Kontexten und wie wichtig ist direkte face-to-face Interaktion (noch immer)? Kann ein unverwechselbares „Wer-einer-ist“ in einer Like-Kultur überhaupt sichtbar werden oder handelt es sich nicht immer um Formen der verzerrenden Objektivierung und Kommerzialisierung? Wie formen digitale Umwelten epistemische Einstellungen (was können wir wissen und wie?), doxische Stellungnahmen (wie bilden wir uns Meinungen?) und strategische Praktiken (wie handeln und mobilisieren wir?)? Was sind Formen des Miteinander-Fühlens im Internet? Wie wichtig ist Vertrauen, wenn Wahrheit eine umkämpfte Domäne wird?

[u][b]Programm und Vortragende: siehe Website des Instituts ab ca. Mitte September 2019.[/b][/u]

[b]Vorläufiges Programm[/b]

16.10.2019 Sophie Loidolt (Darmstadt)
Einführung
Petra Gehring (Darmstadt)
Publizitätsparadoxien digitaler Wissenschaft

23.10.2019 Gerhard Gamm (Darmstadt) Die öffentliche Meinung. Wandel und Widersprüche im Ausgang von Hegel

6.11.2019 Jan Slaby (Berlin)
Verdunkelungsgefahr - Hannah Arendt und die Schattenseiten der Öffentlichkeit

13.11.2019 Dirk Jörke (Darmstadt)
John Dewey. Von der liberalen Öffentlichkeit zum demokratischen Sozialismus

20.11.2019 Andreas Gelhard (Bonn)
Institutionalisierung sozialer Freiheit? Bildungstheorie als Herausforderung politischer Theorie

27.11.2019 Tobias Matzner (Paderborn)
Erfahrung in der Kritik algorithmisierter Öffentlichkeiten

4.12.2019 Gernot Böhme (Darmstadt)
Privatheit in Zeiten der Netzgesellschaft und die Zukunft analoger Kompetenzen

11.12.2019 Michaela Pfadenhauer (Wien) Die (Ohn)Macht mitte

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Semester: WT 2019/20