Lehrinhalte
Die Formalisierung ist der Übergang zum Formalen – aber: Was heißt „formal“? Und was ist mit „Übergang“ gemeint? Wie wird „formalisiert“? Was kann überhaupt „formal“ sein? (Präziser: Was sind die Bedingungen für Formalisierung?) Und: Wo nimmt dieser Übergang zum Formalen seinen Ausgangspunkt? Welcher Zweck wird mit Formalisierung verfolgt? (Von wem? Welche „Programme“ gibt es?) Was „passiert“ mit dem, was formalisiert wird? Oder anders gefragt: Gibt es zwischen dem Ziel, das mit Formalisierung verfolgt wird, und dem Ziel, das mit Formalisierung erreicht wird, vielleicht eine (unüberbrückbare) Differenz? Gibt es noch anderes „Formales“ als „formale Logik“ oder „formale Sprache“? Was hat die Formalisierung in der Philosophie zu suchen – oder gehört sie vielleicht einfach nur zur Mathematik? Sollte die Philosophie gar formale Methoden einsetzen (wie z.B. in der analytischen Philosophie) oder in erster Linie kritisieren?

Die Geschichte der Formalisierung in der Philosophie reicht bis in die Antike zurück. Von dort aus laufen Entwicklungen, die wohl vor allem bei Leibniz einen ersten Höhepunkt finden. Für unser heutiges Verständnis von Formalisierung scheint aber Frege der entscheidende Autor, der mit der Begriffsschrift auf „Eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens“ zielte und Philosophie wie auch Mathematik beeindruckte. Im Seminar werden wir uns zur Einstimmung kurz mit Leibniz beschäftigen, bevor wir uns vor allem auf „Frege und die Folgen“ konzentrieren. Hier werden wir uns mit Formalisierungsprogrammen in der Mathematik und in der Sprachphilosophie beschäftigen, wobei wir auch einen Exkurs in die Computerphilosophie unternehmen, bevor wir schließlich kursorisch Formalisierungskritiken ansehen wollen.

Methodisch werden wir an ausgewählten Schlüsseltexten entlangarbeiten, deren Kernargumente wir systematisch rekonstruieren und an unsere übergeordneten Fragestellungen zurückbinden. Studierende sollen in die Lage versetzt werden, Formalisierungsprogramme und -prozesse in der Philosophie sowie in eng angrenzenden Diskussionen (z.B. in der Mathematik) zu beschreiben, die Begründungen sowie Argumente dieser Programme systematisch darzustellen und philosophiegeschichtlich einzuordnen, die Vorgehensweisen der Formalisierungsprozesse mit ihren jeweiligen Voraussetzungen im Zusammenhang vergleichend zu diskutieren und die Reichweite von Formalisierungsprogrammen kritisch zu reflektieren.

Literatur
Literatur wird per Moodle bekannt gegeben. Bitte beachten Sie die Hinweise zur Vorbereitung der ersten Sitzung in Moodle. (Verfügbar voraussichtlich in der dritten Oktoberwoche.)

Voraussetzungen
Kenntnisse formaler Logik und diskreter Mathematik sind hilfreich, aber keine formale Voraussetzung (no pun intended). Zur wärmstens empfohlenen Vorbereitung ist aber jedes Lehrbuch zur formalen Logik geeignet. Weitere Hinweise finden Sie rechtzeitig im Moodle.

Voraussetzungen sind: Bereitschaft zur gründlichen Lektüre der ausgewählten Texte (auf Deutsch und Englisch) und zur gründlichen Vor- und Nachbereitung der online stattfindenden Seminarsitzungen. Ebenso wird die aktive(!) Teilnahme an den Online-Sitzungen erwartet. Es wird insbesondere die Anfertigung zweier kurzer Essays und zweier Aufgabenblätter erwartet sowie die aktive Mitarbeit an kleineren Formaten zur Unterstützung der Online-Lehre (z.B. Peer-Feedback). Weitere Hinweise zum Ablauf des Seminars finden Sie im Moodle.

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Semester: WiSe 2020/21