Digitale Lehre
Das Seminar wird als Online-Seminar durchgeführt. Neben kleineren sitzungsbegleitenden schriftlichen Aufgaben wird es wöchentlich gemeinsame Videokonferenzen geben. Bei hoher Teilnehmer*innenzahl wird die Seminargruppe in Kleingruppen aufgeteilt.

Lehrinhalte
Spätestens mit der internationalen #BlackLivesMatter-Bewegung im Sommer 2020 sind Debatten über strukturellen Rassismus und die Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. In deutschen Städten finden sich noch immer zahlreiche Spuren des Kolonialismus (z.B. in Form von Denkmälern, Straßenbezeichnungen, Ausstellungsstücken). Die Organisationen der Schwarzen Communities in Deutschland und kolonialkritische Aktivist*innen kritisieren seit langem den (Nicht-)Umgang mit der deutschen Kolonialvergangenheit und dessen postkolonialer Kontinuität (vgl. Ha 2014). Im Zuge jüngeren Umwidmungen (z.B. Benennung der Wilhelm-Amo-Straße in Berlin Mitte) und den zunehmenden Forderungen nach einer Dekolonisierung des städtischen Raums scheint jedoch eine Phase der Neu-Aushandlung der Erinnerungen begonnen zu haben (vgl. Conrad 2019).

Das Seminar beschäftigt sich mit der jüngsten Konjunktur kollektiver Erinnerungen an den Kolonialismus in deutschen bzw. europäischen Städten. Die aktuelle Neu-Aushandlung wird dabei zum einen im Kontext globalisierter Erinnerungsräume und reflexiver Erinnerungsformen gestellt (vgl. u.a. Frank 2021, Kibel 2021). Zum anderen wird der spezifisch postkoloniale Zeitkontext der Erinnerungen betrachtet. Auf das Fortleben kolonialer Strukturen in der sozialen Gegenwart wurde von den Postkolonialen Studien vielfach hingewiesen (vgl. Hall 1994, Quijano 2020).

Im ersten Teil des Seminar werden die Dimensionen (post-)kolonialen Erbes und der Kolonialität der sozialen Gegenwart anhand ausgewählter Texte Postkolonialer Studien besprochen (vgl. u.a. Quijano 2019). Im zweiten Teil werden dann Arbeiten der sozialwissenschaftlichen Erinnerungs- und Erbeforschung behandelt, die von einer Pluralisierung gesellschaftlicher Vergangenheitsbezüge und dem Wirken dominanter Erbe-Diskurse ausgehen (vgl. u.a. Smith 2006, Harrison 2010). Die theoretischen Inhalte des Seminars sollen immer wieder auf konkrete Fälle (post-)kolonialen Erbes angewandt werden.

Literatur
Conrad, Sebastian (2019). Rückkehr des Verdrängten? Die Erinnerung an den Kolonialismus in Deutschland 1919-2019. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (40-42), S. 28–33.

Frank, Sybille (2021). Stadt und Heritage, Stadt und Erbe. In: Ingrid Breckner, Albrecht Göschel und Ulf Matthiesen (Hg.): Stadtsoziologie und Stadtentwicklung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Baden-Baden: Nomos, S. 539–549.

Ha, Noa (2014). Perspektiven urbaner Dekolonisierung: Die europäische Stadt als ‘Contact Zone’. In: suburban 2 (1), S. 27-48.

Hall, Stuart (1994). Der Westen und der Rest. Diskurs und Macht. In: Ders. (Hg.): Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hamburg: Argument, S. 137–179.

Harrison, Rodney (2010). Understanding the Politics of Heritage. Manchester: Manchester University Press.

Kibel, Jochen (2021). Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit. Kollektivierungsdiskurse und ihre Codes der Verräumlichung. Bielefeld: transcript.

Quijano, Aníbal (2019). Kolonialität der Macht, Eurozentrismus und Lateinamerika. Aus dem Spanischen von Alke Jenns und Stefan Pimmer. Wien, Berlin: Turia Kant.

Smith, Laurajane (2006). Uses of heritage. London, New York: Routledge.

Voraussetzungen
Das Seminar ist geeignet für fortgeschrittene Bachelor-Studierende. Die Bereitschaft zur Lektüre englischsprachiger Texte ist Voraussetzung für die Teilnahme am Seminar.

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Semester: WT 2021/22