Lehrinhalte
Das Forschungsprogramm der »Postcolonial Studies« hat seit ihrem Bestehen den Blick für die räumlichen Dimension sozialer Ordnungen in der Soziologie geschärft. Rein territoriale Verständnisse von Raum, die die Welt in abgrenzbare Teile sortieren, wurden durch die Analyse (post-)kolonialer Herrschaftsbeziehungen und der vielfachen Verflechtung von globaler Moderne und kolonialer Herrschaft zunehmend herausgefordert (vgl. Randeria 1999, Bhambra 2017, Quijano 2019). Mit dem »spatial turn« in den Sozialwissenschaften sind ebenfalls Theorien entwickelt worden, in denen Raum nicht länger den starren Hintergrund sozialen Handelns bildet, sondern eine dynamische Ordnungsstruktur, die von machtvollen Akteuren hervorgebracht wird und in denen ganz unterschiedliche soziale Realitäten miteinander verschaltet sind (vgl. Soja 1999, Massey 1999, Löw und Knoblauch 2021).

Das Seminar »Postkoloniale Raumsoziologie« möchte eine Verbindung zwischen der klassischen Raumsoziologie und ausgewählten raumtheoretischen Konzepten der Postcolonial Studies herstellen. Das Ziel besteht darin, ein Verständnis für die räumliche Dimension des Kolonialismus und die postkoloniale Gegenwart zu erlangen. Dabei werden u.a. Fragen zum Verständnis von Globalisierungsprozessen, globaler Mobilität sowie zur Einbeziehung nicht-westlicher Erfahrungen in die soziologische Theoriebildung besprochen.

Im ersten Teil des Seminars sollen zunächst grundlegende Perspektiven der Raumsoziologie behandelt werden. Im zweiten Teil werden dann ausgewählte raumbezogene Arbeiten postkolonialer Studien (u.a. Paul Gilroys Diaspora-Konzept des Black Atlantic) diskutiert. Im Laufe des Seminars sollen immer wieder Bezüge zu Anwendungsfällen postkolonialer Raumsoziologie hergestellt werden.

Das Seminar ist geeignet für fortgeschrittene Bachelor-Studierende. Die Bereitschaft zur Lektüre englischsprachiger Texte ist Voraussetzung für die Teilnahme am Seminar.

Das Seminar findet als Präsenzveranstaltung statt. Es gelten die aktuellen Hygienevorschriften der TU Darmstadt.

Literatur
Boatca, Manuela; Costa, Sérgio (2010): Postkoloniale Soziologie: ein Programm. In: Julia Reuter und Paula-Irene Villa (Hg.): Postkoloniale Soziologie. Empirische Befunde, theoretische Anschlüsse, politische Interventionen. Bielefeld: transcript, S. 69–90.

Bhambra, Gurminder K. (2016): Postolonial Reflections on Sociology. In: Sociology 50 (5), S. 960–966.

Löw, Martina; Knoblauch, Hubert (2021): Raumfiguren, Raumkulturen und die Refiguration von Räumen. In: Martina Löw, Volkan Sayman, Jona Schwerer und Hannah Wolf (Hg.): Am Ende der Globalisierung. Über die Refiguration von Räumen. Bielefeld: transcript, S. 25–57.

Massey, Doreen (1999): Spaces of Politics. In: Doreen Massey und Allen, John Sarre, Philip (Hg.): Human Geography Today. Cambridge, Oxford, Malden: Blackwell, S. 279–294.

Quijano, Aníbal (2019): Kolonialität der Macht, Eurozentrismus und Lateinamerika. Unter Mitarbeit von Aus dem Spanischen von Alke Jenns und Stefan Pimmer. Wien, Berlin: Turia Kant.Massey

Randeria, Shalini (1999): Jenseits von Soziologie und soziokultureller Anthropologie: Zur Ortsbestimmung der nichtwestlichen Welt in einer zukünftigen Sozialtheorie. In: Soziale Welt 50 (4), S. 373–382.

Soja, Edward (1999): Thirdspace: Expanding the Scope of the Geographical Imagination. In: Doreen Massey und Allen, John Sarre, Philip (Hg.): Human Geography Today. Cambridge, Oxford, Malden: Blackwell, S. 260–278.

Online-Angebote
moodle

Semester: ST 2022