Lehrinhalte
Spätestens seit Anfang des neuen Jahrhunderts ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften eine deutliche Abkehr vom Säkularisierungsparadigma zu verzeichnen. Dieses ging in seiner pointiertesten Formulierung bei Max Weber davon aus, dass Religion durch gesellschaftliche Modernisierungs- und Rationalisierungsprozesse sukzessive an sozialer und individueller Bedeutung verlöre. Phänomene der Persistenz oder gar Revitalisierung von Religion lassen allerdings Jürgen Habermas‘ Zeitdiagnose plausibel erscheinen, nach der wir in einer postsäkularen Gesellschaft leben, in der religiöse Akteure und Überzeugungen weiterhin eine signifikante öffentliche Rolle spielen. Demokratietheoretisch ergibt sich daraus die Frage, wie die öffentliche Rechtfertigung von Rechtsnormen in einer religiös und weltanschaulich pluralistischen Gesellschaft gelingen kann. Religiöse Überzeugungen scheinen dafür nicht geeignet, sind sie doch unaufhebbar umstritten. Ihre Exklusion wiederum wäre gleichwohl für religiöse Menschen nicht akzeptabel. Das Seminar will sich zum einen den prominenten Lösungsansätzen diesen Dilemmas bei Jürgen Habermas und John Rawls widmen. Die Frage nach dem Verhältnis von Glauben, Vernunft und Rechtfertigung ist gleichwohl nicht allein politikphilosophisch. Sie lässt die klassische religionsphilosophische Frage nach dem Verhältnis von Rationalität und Religion in einem neuen Licht erscheinen. Insofern sollen im Seminar zum anderen auch die tiefliegenden religionsphilosophischen und -theoretischen Überlegungen von Habermas und Rawls behandelt werden, etwa religionsphilosophische Überlegungen des jungen Rawls wie sie sich in seiner Bachelorthesis finden oder Habermas‘ Idee einer Übersetzung religiöser Gehalte durch soziale Lernprozesse.
 
 

Literatur
Einführende Literatur:
Schmidt, Thomas M. und Annette Pitschmann, Hrsg. 2014. Religion und Säkularisierung. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Metzler.

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Semester: ST 2023