Offizielle Kursbeschreibung
Die Geschichte der Moderne wurde in den vergangenen Jahrzehnten meist als eine Geschichte der (staatlichen) Einhegung von und des Verzichts auf Gewalt erzählt. In den letzten Jahren hat sich das weltweite Konfliktgeschehen jedoch intensiviert, wobei – anders als in früheren Konflikten – vor allem Städte als Orte politischer Gewalt und kriegerischer Handlungen in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten sind. Die unübersichtlich gewordene (post)moderne Stadt scheint, wie nicht nur der aktuelle Krieg in der Ukraine zeigt, in Zeiten zunehmend translokal und netzwerkartig organisierter Gewaltpraktiken zu einem neuen strategischen Zentrum der Organisation und Ausübung von politischer Gewalt sowie der Kriegsführung geworden zu sein. Seit einiger Zeit wissen wir, dass die städtebauliche Struktur Sarajevos, welche u.a. Scharfschützen optimale Bedingungen für das Orten beweglicher Ziele bot, während der Belagerung der Stadt im Bosnienkrieg wesentlich zu ihrem Urbizid beitrug, dass Häuserzeilen an unsicher gewordenen Straßen in Kriegsgebieten durch Wanddurchbrüche zu sicheren Wegstrecken umfunktioniert werden können, und dass der städtische Raum weltweit einer verstärkten Militarisierung unterliegt. Nicht zuletzt sind Städte als gebaute Räume und Orte verdichteter sozialer Interaktionen vermehrt zu Zielen von Terroranschlägen geworden. Seit den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 und einer zunehmenden Überwachung öffentlicher Plätze sind belebte städtische Straßen zum bevorzugten Aktionsort von Terrorist:innen geworden, wie u.a. Anschläge mit Last- bzw. Lieferwagen auf Fußgängerzonen in Berlin, Nizza, Barcelona, London oder Stockholm zeigen. Mit der zunehmenden Ausübung physischer Gewalt in Städten stellen sich auch Fragen des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewalt sowie Fraagen der Gewaltprävention.

Das Seminar wendet sich an Studierende ohne Vorkenntnisse, die sich für das Thema der politischen Gewalt und für deren spezifische Ausdrucksformen in Städten, insbesondere im Kontext kriegerischer Handlungen, interessieren. Ziel des Seminars ist es, aktuelle Forschungsarbeiten zu den o.g. Entwicklungen gemeinsam zu lesen und zu diskutieren. Die Fähigkeit zur Lektüre von und zur Arbeit mit englischsprachigen Texten wird vorausgesetzt. Das Seminar findet in Präsenz statt.

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Semester: WT 2022/23